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Exkursion nach Bochum am 6. Juli 2025 – Jüdisches Leben, Erinnerungskultur und historische Spurensuche in der Stadt

Im Rahmen einer ganztägigen Exkursion haben Vereinsmitglieder am 6. Juli 2025 zentrale Orte jüdischen Lebens und Gedenkens in Bochum besucht. Die vielfältigen Stationen führten durch mehrere Jahrhunderte Stadtgeschichte – vom frühen jüdischen Gemeindeleben über die Zeit des Nationalsozialismus bis zur lebendigen Gegenwart jüdischer Kultur.

Die Exkursion wurde fachkundig begleitet von Dr. Manfred Keller, evangelischer Theologe, langjähriger Leiter der Evangelischen Stadtakademie Bochum und Initiator des Stelenwegs „Jüdisches Leben in Bochum und Wattenscheid“. Es war der Gegenbesuch unseres Vereins in Bochum: Am 10. September 2024 hatte Herr Keller uns im Rahmen des 5. Festivals „Musik & Kultur der Synagoge“ mit einer Exkursionsgruppe „Auf den Spuren des Bochumer Kantors Erich Mendel“ in Münster besucht.

Gedenkstätte „Drehscheibe des Terrors“ – Nordbahnhof Bochum

Der erste Programmpunkt war der historische Nordbahnhof. Während der NS-Zeit fungierte er als zentraler Ausgangspunkt für Deportationen von rund 3.000 Jüdinnen und Juden, Sinti, Roma, Zwangsarbeitern und politischen Gefangenen. Heute ist das Gelände eine eindrückliche Gedenkstätte: In der ehemaligen Bahnhofshalle wurde 2025 eine multimediale Dauerausstellung eröffnet. Besonders bewegend war die Bodenprojektion mit symbolisch über Gleise laufenden Namen der Opfer. Die „Initiative Nordbahnhof Bochum“ setzt sich seit Jahren für die Bewahrung und pädagogische Erschließung dieses authentischen Erinnerungsorts ein. Eine von Schüler:innen und zivilgesellschaftlichen Gruppen erarbeitete Stele (Nr. 8 des Bochumer Stelenwegs) erinnert unmittelbar vor Ort an die Verbrechen und die Verantwortung der Stadtgesellschaft.

Ausgewählte Stelen des Stelenwegs – Stationen jüdischer Präsenz

Anschließend besuchten wir ausgewählte Stationen des Stelenwegs „Jüdisches Leben in Bochum und Wattenscheid“, einem Bildungs- und Erinnerungsprojekt, das unter der Federführung von Dr. Manfred Keller entwickelt wurde. Die derzeit 13 Glasstelen (Stand: 2025) erinnern nicht nur an Verfolgung und Zerstörung, sondern auch an die kulturelle und gesellschaftliche Vielfalt jüdischen Lebens.

  • Stele 10 am Erich-Gottschalk-Platz widmet sich dem jüdischen Sportleben in Bochum, insbesondere Vereinen wie „Hakoah Bochum“ und dem Reichsbund jüdischer Frontsoldaten.
  • Stele 1 am Erich-Mendel-Platz erinnert an den Bochumer Kantor Erich Mendel, der in den 1930er Jahren in die USA emigrierte und dort unter dem Namen Eric Mandell als Rabbiner wirkte.
  • Stele 3 in der Goethestraße dokumentiert das Schicksal jüdischer Bewohner, die dort ab 1939 in sogenannten „Judenhäusern“ zwangsweise untergebracht wurden.

Die Stelen sind das Ergebnis intensiver Zusammenarbeit mit lokalen Schulen, Archiven und Zeitzeugen. Sie machen Geschichte an konkreten Orten erfahrbar – anschaulich, multiperspektivisch und dauerhaft sichtbar im Stadtbild.

Vorbei an der Neuen Synagoge

Im Anschluss passierten wir die Neue Synagoge am Erich-Mendel-Platz 1 – das religiöse und kulturelle Zentrum der heutigen Jüdischen Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen. Die architektonisch markante Synagoge wurde 2007 eingeweiht und steht für die Kontinuität jüdischen Lebens nach der Shoah. Am Rande des Synagogen-Sommerfestes begrüßte die Exkursionsgruppe u.a. auch Grigory Rabinovich, Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Bochum - Herne – Hattingen.

Gemeinsames Mittagessen

Im „Parkschlößchen“ an der Bergstraße hatten wir Gelegenheit zum Austausch über die bisherigen Eindrücke. In der ruhigen Atmosphäre des Gasthauses wurde deutlich, wie bewegend und vielschichtig die besuchten Orte waren.

Jüdischer Friedhof Wasserstraße – Spiegel jüdischer Stadtgeschichte

Am Nachmittag besuchten wir den jüdischen Friedhof an der Wasserstraße in Wiemelhausen. Er wurde 1918 angelegt und umfasst Grabstätten von 1760 bis heute. Zahlreiche Grabsteine wurden von früheren Friedhöfen an der Buddenbergstraße und dem Unteren Friedhof auf dieses Gelände überführt.

Die Vielfalt der Inschriften – deutsch, hebräisch, russisch – und die architektonische Gestaltung der Trauerhalle (Backsteinexpressionismus von 1928, Architekt: Theodor Sohm) spiegeln die wechselvolle Geschichte der jüdischen Gemeinde in Bochum wider. Besonders eindrucksvoll ist das Gedenken an die Opfer des NS-Regimes, darunter die Gräber von KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern. Der Friedhof steht seit 2001 unter Denkmalschutz und wird bis heute für Bestattungen genutzt.

Nach einem inhaltlich dichten Tag traten wir gegen 16.30 Uhr die Rückfahrt an – bewegt von vielen neuen Eindrücken und einem vertieften Verständnis jüdischer Geschichte in unserer Region.

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Die Exkursionsgruppe vor der Synagoge in Bochum. © Foto: Jüdische Gemeinde Bochum – Herne – Hattingen
Dr. Manfred Keller auf dem jüdischen Friedhof an der Wasserstr. © Foto: Stefan Querl
Dr. Manfred Keller erläutert in der Trauerhalle die Lage der verscheiden Gräbergruppen auf dem Jüdischen Friedhof an der Wasserstr. © Foto: Stefan Querl